Hochwasser

Alexander Hartung  I  Lippeverband

Hochwasser und Hochwasserschutz an der Lippe

Hochwasser an der Lippe ist kein seltenes Phänomen, vor allem für das Umfeld von Dorsten mit seinen tiefliegenden Auengebieten und seiner Lage im Bereich der Bergsenkungen des Bergwerks Lippe. Der Entstehungsort eines Hochwassers hängt in erster Linie mit dem Auftreten kräftiger Niederschläge in einem bestimmten Einzugsgebiet zusammen. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob die Niederschläge im Sommer durch Starkregen oder Gewitter verursacht werden oder ob eine Kombination aus mehrtägigen ergiebigen Niederschlägen im Winter und möglicherweise zusätzlich eine rasante Schneeschmelze vorliegt.

Die Lippe und ihre Nebenläufe

Auf den 220 km Fließlänge der Lippe sind einige bedeutende Nebenläufe vorhanden, von der Quelle aus betrachtet sind dies zu Beginn vor allem die Pader, die Alme und die Ahse. Eigentlich bilden erst die Nebenläufe Pader und Alme die Lippe, da diese beiden Nebenläufe deutlich mehr Wasser führen als die Namensgeberin. Bei der Einmündung der 59 km langen Alme hat die Lippe gerade erst 11 km hinter sich. Als weiterer bedeutender Nebenlauf mündet bei Hamm die Ahse ein, von der Größenordnung ist sie vergleichbar mit Pader und Alme, nur weist die Lippe jetzt 94 km Fließlänge auf und befindet sich seit Lippstadt bereits in ihrem mittleren Flussabschnitt.

Mit der Einmündung der Seseke in Lünen nach rund 123 km Fließlänge beginnt der Unterlauf der Lippe. Die Stever ist der größte Zufluss der Lippe, nachdem sie zuvor den Hullerner und den Halterner Stausee durchquert hat, gelangt sie in Haltern dazu. Nur 1 km kürzer als die Alme verfügt die Stever mit rund 902 km² ebenfalls über das größte Nebeneinzugsgebiet und liefert im Mittel 5,5 m³/s Zufluss. Am Pegel Haltern, der kurz hinter der Stevermündung liegt, fließen damit rund 33 m³/s durch die Lippe. Mittlerweile hat die Lippe 165 km Fließweg hinter sich und bewegt sich seit geraumer Strecke in großen Schleifen langsam strömend durch die Landschaft.

Die Lippe im Bereich Dorsten

Die beiden letzten größeren Nebenläufe mit einer Mittelwasserführung von jeweils knapp 2 m³/s sind der Rapphofs Mühlenbach und der nur 2 km später dazukommende Hammbach. Beide münden im Bereich der Stadt Dorsten, wo das Wasser der Lippe schon 190 km unterwegs war. Der Pegel Dorsten befindet sich zwischen dem Rapphofs Mühlenbach und dem Hammbach. Hinter Dorsten gibt es auf den verbleibenden 30 km nur noch einige wenige unbedeutende Zuflüsse, dementsprechend bleiben auch die Wassermengen bis zur Mündung nahezu konstant. Hochwässer vergrößern sich auf dieser letzten Strecke nicht mehr, dass ankommende Wasser überflutet große Teile der flachen Landschaft und wird ansonsten nur weiter transportiert. Bereits in Krudenburg ist der Einfluss des Rheins spürbar, dies natürlich nur bei entsprechend großen Ereignissen im Rhein, wie dies letztmalig am 31. Januar 1995 der Fall war.

Hochwasser in Dorsten

Für den Pegel Dorsten wurde innerhalb der letzten 31 Jahre ausgezählt, zu welchen Zeiten die meisten Hochwässer auftreten. Von diesen 31 Ereignissen traten 18 im meteorologischen Winter auf (Dezember bis Februar) und 10-mal betrafen Hochwässer das Frühjahr (März bis Mai). Auf den Sommer (Juni bis August) entfielen 2 Ereignisse und auf den Herbst (September bis November) schließlich nur 1 Hochwasser.

In der Rangliste der 10 höchsten Ereignisse am Pegel Dorsten befindet sich interessanterweise das einzige Herbsthochwasser (03.11.1998) auf Platz 3, ein Sommerhochwasser (24.08.2007) auf Platz 9, die restlichen Plätze werden von Winterereignissen belegt. Das höchste Hochwasser in den letzten 30 Jahren wurde am 04. Januar 2003 mit einem Pegelstand von 988 cm gemessen, das zweithöchste Ereignis vom 15. Januar 2011 erreichte einen Wasserstand von 926 cm am Pegel Dorsten.

Um den Verlauf und die Entwicklung eines Hochwassers besser verstehen zu können, werden hier einige große Ereignisse kurz vorgestellt.

Hochwasser vom 4. Januar 2003

Im Verlauf des Hochwassers vom 04.01.2003 musste in Dorsten kurz nach dem Jahresbeginn 2003 die Hohenkampbrücke angehoben werden, da sie in die Wassermassen einzutauchen drohte.

Schon im November 2002 waren überdurchschnittlich hohe Niederschläge zu verzeichnen, die sich im Dezember fortsetzten und zu einer hohen Bodenfeuchte führten. Daher wurde ab Mitte Dezember vorsorglich ein Monitoring der Niederschlags- und Durchflussverhältnisse im Verbandsgebiet eingerichtet. Ab dem 21.12.02 führten von Westen heranziehende Tiefausläufer milde und feuchte Meeresluftmassen in die Emscher- und Lippe-Region. Im weiteren Verlauf stellte sich dann ein stetiger Luftmassenwechsel von nach Osten wandernder milder, feuchter Meeresluft und aus dem Norden kommender polarer Kaltluft ein. Dadurch kam es im gesamten Lippeeinzugsgebiet zu erhöhten Niederschlagsmengen. Im Zeitraum vom 29.12.2002 bis zum 03.01.2003 fielen Niederschlagssummen in der Höhe von 88 mm im Bereich Dorsten und bis zu 147 mm im Bereich Lünen. Der mittlere Niederschlag im Januar beträgt normalerweise 64 mm für das Lippegebiet.

Ab dem 02. Januar wurden erste Prognoseberechnungen für das anlaufende Hochwasser durchgeführt, die durch die erneuten Niederschläge am 03. Januar 2003 nach oben korrigiert wurden. Die Wiederkehrwahrscheinlichkeit des Hochwassers wurde schließlich mit 25 Jahren bestimmt, dies bedeutet, dass ein vergleichbarer Wasserstand einmal in 25 Jahren auftritt. In Dorsten herrschte am 04. Januar um 19:25 Uhr ein maximaler Durchfluss von 444 m³/s zum Zeitpunkt des höchsten Wasserstandes. Die Lippe benötigte volle 4 Tage, bevor sie unter die Hochwasserwarnstufe von 800 cm fiel. Bedingt durch einige nachlaufende kleine Hochwasserwellen, erreichte die Lippe den langjährigen Mittelwasserstand (507 cm) erst wieder am 24. Februar 2003.

Hochwasser vom 15. Januar 2011

Im Dezember 2010 herrschte in Deutschland eine hochwinterliche Wetterlage, die durch den Mix aus polarer Kaltluft und feuchter Meeresluft zu Rekordschneefällen und eisigen Temperaturen geführt hatte. Ab dem 05. Januar 2011 gelangten in kurzer Abfolge atlantische Tiefausläufer nach Deutschland, die mit Temperaturen bis 15°C zu starkem Tauwetter in allen Höhenlagen führte. Hinzu kamen erhebliche Niederschlagsmengen, die insbesondere im Westen und Südwesten Summen von 25-50 mm, lokal auch darüber, erreichten. Diese Kombination aus Tauwetter und Dauerniederschlag führte zu einer ersten Hochwasserwelle, welche ihren Scheitel in Dorsten am 10. Januar 2011 erreichte.

Bedingt durch die vollständig mit Wasser gesättigten Böden fielen die Pegelstände an der Lippe, trotz kurzzeitigem Zwischenhocheinfluss am 10. und 11. Januar, nur langsam. Die ab dem 12. Januar wieder einsetzenden Starkniederschläge trafen somit auf hohe Wasserstände in den Flüssen und auf einen Boden, der kein Wasser mehr aufnehmen konnte. In der Zeit vom 12. bis zum 14. Januar 2011 fielen dann Niederschlagsmengen, die im Mittel im Lippegebiet rund 40 mm, an einzelnen Stationen auch bis 50 mm betrugen. Diese lösten die zweite und auch deutlich höhere Hochwasserwelle aus, deren Scheitel am Samstag, den 15. Januar 2011 um 08:55 Uhr den Pegel Dorsten mit 327 m³/s in der Spitze und einem Wasserstand von 926 cm erreichte. Dies entspricht im Bereich Dorsten einem Hochwasser, das alle 5 Jahre auftreten kann.

Insgesamt verliefen beide Hochwasserwellen unkritisch, jedoch waren sehr lang andauernde Hochwassereinsätze in den Bezirkszentralen des Betriebes vor Ort, insbesondere im Bereich westliche Lippe, erforderlich. Hinzu kam, dass der Mündungsbereich der Lippe durch ein zeitgleiches Hochwasser des Rheins zurückgestaut wurde. Positiv wirkte sich aus, dass die Hochwasserwellen in den großen Nebenläufen dem eigentlichen Lippehochwasser voranliefen und nicht mit diesem zusammentrafen.

Heinrichsflut 1965 und Sommerhochwasser 1968

Am 15. und am 16. Juni 1965 kam es zu mehreren schweren Unwettern im Bereich von Nordhessen, Südniedersachsen, Ostwestfalen sowie in Teilen von Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen. Es entstanden Schäden in Millionenhöhe und auf beiden Seiten der damaligen innerdeutschen Grenze starben Menschen in Folge der Unwetter oder aufgrund der daraus resultierenden Hochwasserereignisse. Die damals aufgetretenen Hochwässer wurden im Nachhinein unter dem Namen der „Heinrichsflut“ zusammengefasst. Im Einzugsgebiet der Lippe war das Gebiet der Alme im Westen der Paderborner Hochfläche besonders betroffen. Die stromab laufende Hochwasserwelle überflutete die Innenstadt von Lippstadt bis zu einem Meter hoch, in Hamm, Haltern am See und Dorsten wehrten die Deiche die Überflutungen ab.

Nur drei Jahre später wurde der Bereich von Soest über Werl bis nach Dortmund von schweren Unwettern betroffen. Am Samstag den 15. Juni 1968, setzte im Bereich Werl ab 17:00 Uhr wolkenbruchartiger Regen ein. Die Folgen waren für viele kleine Ortschaften unterhalb des Haarstrangs verheerend. Am Ende wurden im Landkreis Soest 15 Dörfer von den Fluten verwüstet. Damals waren neben der Feuerwehr und dem THW auch Soldaten der Bundeswehr sowie der hier stationierten belgischen und kanadischen Streitkräfte mit im Einsatz. In weniger als 6 Stunden wurden Regenmengen von 85 mm registriert. Neben den genannten Städten waren auch Lünen, Arnsberg, Iserlohn und Castrop Rauxel betroffen. Die Lippe führte kein nennenswertes Hochwasser, dafür waren Nebenläufe wie der Mühlenbach bei Osttönnen, die Seseke und andere stark betroffen. Auch die Emscher trat im Bereich Dortmund über die Ufer.