Der Lippeverband

Simone Stickeln I  Lippeverband: Der Lippeverband

Der Lippeverband: Wasserwirtschaft am längsten Fluss NRWs

Etwa 1,4 Millionen Menschen haben täglich Kontakt zum Lippeverband – und sind sich dessen häufig nicht einmal bewusst. Doch spätestens, wenn sie unter der Dusche stehen oder die WC-Spülung drücken und das Abwasser anschließend gereinigt werden muss, kommt der Wasserwirtschaftsverband ins Spiel. Denn das ist eine der Kernaufgaben des Lippeverbandes, die er seit fast 100 Jahren übernimmt. Zu den weiteren Aufgabenfeldern gehören die Sicherung des Abflusses, der Hochwasserschutz und die Gewässerunterhaltung – und das in einem Einzugsgebiet von 3.280 Quadratkilometern.

Ausnahmezustand an Lippe und Seseke

Vorbild für eine erfolgreiche Wasserwirtschaft an der Lippe war der erste deutsche Wasserwirtschaftsverband, die 1899 gegründete Emschergenossenschaft. Ebenso wie auch im Emscher-Gebiet gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts an der Lippe und der Seseke, einem linksseitigen Lippe-Zufluss, immer wieder Probleme durch den Bergbau. Ganze Landstriche sackten ab und die Gewässer konnten teilweise nicht mehr richtig abfließen. Die Abwässer der Bevölkerung und Industrie wurden trotzdem ungeregelt in die Lippe, die Seseke und ihre Nebenläufe geleitet und stauten sich daraufhin in den Senken. Die schweren Überschwemmungen und das stehende Hochwasser hatten aufgrund der

starken Verschmutzung nun aber verheerende Folgen: Seuchen wie Cholera, Typhus, Ruhr, Diphterie und Malaria breiteten sich aus, die hygienischen Missstände wurden untragbar. Vor dem Ersten Weltkrieg war besonders die Seseke betroffen.

Die ersten Wasserwirtschaftsverbände

Um die Situation in den Griff zu bekommen, wurde 1913 schließlich die Sesekegenossenschaft gegründet. Diese umfasste allerdings nur die Städte Dortmund, Lünen, Unna, Kamen, Bergkamen und Bönen. Daher war schnell eine weitergehende Lösung für die wasserwirtschaftlichen Probleme in anderen Bereichen der Lippe-Region gefordert. 1917 gab es erstmals die Idee, einen Verband für das gesamte industriell erschlossene Gebiet der Lippe zu gründen. Es dauerte aber noch neun Jahre, ehe der Wasserwirtschaftsverband gegründet und am 19. Januar 1926 das „Gesetz über den Lippeverband“ verkündet wurde. Dieses legt nicht nur die Aufgaben, sondern auch den Einzugsbereich des Wasserverbandes fest: Er umfasst das Gebiet zwischen Lippborg im Kreis Soest und der Mündung der Lippe in den Rhein bei Wesel, was 147 Kilometer der insgesamt 220 Kilometer langen Lippe entspricht.

In den Folgejahren besserte sich schließlich auch die Situation entlang der Lippe, nachdem Bachläufe zu offenen und – für damalige Zwecke – funktionalen Schmutzwasserläufen umgebaut worden waren und das Abwasser so wieder abfließen konnte. Zudem wurden an der Lippe Deiche zum Hochwasserschutz errichtet. 1932 baute der Wasserwirtschaftsverband seine erste Kläranlage in Soest, 1941 folgten dann mechanische Rundbeckenanlagen in Hamm und Kamen. Heute betreibt der Lippeverband in seinem Verbandsgebiet insgesamt 54 Kläranlagen und 240 Pumpwerke.

Lebendige Lippe

Neben der Bewirtschaftung des Gewässers kümmert sich der Lippeverband auch darum, die Natur zurück an den Fluss zu bringen. Durch die Renaturierung des Flusses, soll die Lippe zu einem ökologisch wertvollen und touristisch attraktiven Lebensraum für Tiere und Pflanzen werden, Menschen sollen ihren Fluss „erleben“ können. Seit den 1980er-Jahren wurde im Lippeverbandsgebiet mehr als eine Milliarde Euro in Kläranlagen, Abwasserkanäle und die ökologische Verbesserung der Gewässer investiert und die Gewässergüte damit wesentlich aufgewertet. Darüber hinaus setzt der Lippeverband mit dem Programm „Lebendige Lippe“ auch die Wasserrahmenrichtlinie an der Lippe um, wodurch die Lippe vielfältigere Strukturen bekommen und sich lebendig in ihren Auen entfalten kann.

Im Rahmen dieses Programms setzt der Lippeverband zahlreiche kleine und große Maßnahmen entlang der Lippe um. So wurde der Fluss im Bereich von Datteln und Olfen um 450 Meter verlängert und in eine neue Schleife gelegt. In Haltern-Lippramsdorf und Marl verlegt der Lippeverband die Deiche weiter ins Hinterland und gibt der Lippe damit mehr Raum. In Dorsten hingegen können derartig umfangreiche Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Hier liegt die städtische Bebauung zu nah an der Lippe und die Deiche für den Hochwasserschutz müssen direkt am Gewässer bestehen bleiben. Kleinere Renaturierungsmaßnahmen sind aber trotzdem möglich: So wurden in der Vergangenheit künstlich angelegte Uferbefestigungen auf beiden Seiten der Lippe entfernt und damit wichtige neue Lebensräume geschaffen. Denn in den dadurch entstehenden, natürlichen Randzonen fühlen sich Vögel, Fische und Insekten besonders wohl.

Hansestadt Dorsten

Damals wie heute spielt die Lippe in Dorsten eine wichtige Rolle. Im Mittelalter verdankte die Stadt der Lippe ihre wirtschaftliche und strategische Bedeutung und wurde durch die Lage am Gewässer im 14. Jahrhundert Mitglied der Hanse. Bis heute fühlen sich viele Dorstenerinnen und Dorstener mit „ihrem“ Fluss verbunden. Eine besondere Möglichkeit, die Lippe zu erleben, bietet dabei die Lippe-Fähre „Baldur“. Wanderer, Radfahrer und Spaziergänger können den Fluss damit kostenlos überqueren – per Muskelkraft. Um von einem Ufer zum anderen zu kommen, müssen die Fährmänner und -frauen selbst Hand anlegen und die Fähre mit einer Handkurbel über die Lippe ziehen. Über die Lippe schippern kann man mit der „Baldur“ von Oktober bis Ostern. Anschließend bringt das Betriebs-Team des Lippeverbandes sie ins Winterquartier, wo Wartungs- und Reparaturarbeiten anstehen. Im Jahr 2005 war die Dorstener Lippe-Fähre die erste Personenfähre, die der Lippeverband zu Wasser gelassen hat. 2013 erweiterte der Wasserverband das Angebot um die Personenfähre „Lupia“ in Hamm-Oberwerries und 2015 um die „Maifisch“ in Haltern-Flaesheim. In Wesel gibt es eine vierte Fähre über die Lippe mit dem Namen „Quertreiber“.

Gemeinsam die Region entwickeln

Getragen und finanziert wird der Lippeverband von seinen über 150 Mitgliedern. Dazu gehören unter anderem die 45 Kommunen entlang der Lippe und ihrer Nebengewässer sowie Industrie und Gewerbe. Durch die jährlichen Versammlungen und die Verbandsräte bringen sie sich bei Entscheidungen ein und wirken bei der Meinungsbildung mit. Dabei arbeitete der Verband stets zum Wohl der Bevölkerung und zum Nutzen seiner Mitglieder.