Grenzfluss Lippe

Die Lippe war (vor wie nach ihrer Verlegung zwischen Hervest und Holsterhausen) die Grenze der jeweiligen Regalrechte für den Abbau der Steinkohle. Nördlich der Lippe war das Fürstenhaus Salm Salm zuständig, südlich das Fürstenhaus Arenberg. So kam die Zeche Fürst Leopold zu ihrem Namen: Fürst Leopold zu Salm Salm war der Namensgeber

Gerd Schute

Fürst Leopold und die Kohle
Wie die Zeche zu ihrem Namen kam

Mehr als 110 Jahre danach lässt sich trefflich rätseln: Waren Emil Tilmann aus Dortmund und Victor Weidtman aus Aachen Spekulanten zum eigenen Wohl oder Strohmänner im Auftrag der Gelsenkirchener Bergwerksgesellschaft Trier, Betreiberin der Zeche Consolidation? Wie auch immer: Die beiden Geschäftsleute aus Dortmund bwz. Aachen klopften bei der Verwaltung des Fürstenhauses Salm-Salm auf Schloß Anholt an, um sich entsprechend den Bestimmungen des Bergregals die natürlich kostenpflichtige Erlaubnis für Probebohrungen und ggf. den Bau einer Zeche auf Gebiet der damals noch selbständigen Gemeinde Hervest zu sichern.

Um die Geschichte der beiden Kaufleute schnell abzuschließen: Das Fürstenhaus willigte ein und das Duo verkaufte seine Lizenz – leider ist nicht zu ermitteln, mit welchem Aufschlag und zu welchem Preis – umgehend an die Gesellschaft Trier. 1898 wurde ein Vertrag über die Bohrrechte nördlich der Lippe abgeschlossen. Partner: Das Fürstenhaus, die Bergwerksgesellschaft Trier und das Bankhaus Stein. Zu Ehren des Fürsten wurden die 1906 gegründete Steinkohle-Bergwerksgesellschaft „Gewerkschaft Fürst Leopold“ und das Bergwerk Fürst Leopold samt seiner Abteufschächte „Leopold I–III“ benannt. Ein am 17. August 1916 mit der Bergwerksgesellschaft Trier abgeschlossener Folgevertrag sah Einnahmen des Fürstenhauses Salm-Salm aus dem Bergzehnt bis zum Jahr 1930 vor.

Unter Federführung dieser Bergwerksgesellschaft wurde die Zeche ab 1910 gebaut, ging sie 1913 in den wirtschaftlichen Betrieb, um dann 1918 für den Preis von 21,7 Millionen Mark in den Besitz des Dortmunder Stahlkonzerns Hoesch zu wechseln. Ab 1971 gehörte die Zeche schließlich bis zur endgültigen Stilllegung 2008 zum Ruhrkohle-Konzern. Vom Herrn des Bergregals, Nikolaus Leopold Joseph Maria zu Salm-Salm, 6. Fürst zu Salm-Salm, blieb der Name der Zeche „Fürst Leopold“.

 Nikolaus Leopold Joseph Maria zu Salm-Salm, 6. Fürst zu Salm-Salm Porträt 1906

Fürst Leopold
Der Namensgeber der Zeche
Erbfolge im Fürstenhaus Salm-Salm

Konstantin Alexander Joseph Johann Nepomuk zu Salm-Salm
* 22.11. 1762 – Ϯ 25.2. 1828
3. Fürst zu Salm-Salm 1783 – 1828

Wilhelm Florentin Ludwig Karl zu Salm-Salm
* 17.3. 1786 – Ϯ 2.8. 1846
4. Fürst zu Salm-Salm 1828-1846

Alfred Konstantin Alexander Angelus Maria zu Salm-Salm
*26.12. 1814 – Ϯ 5.10. 1886
5. Fürst zu Salm-Salm 1846-1886

Nikolaus Leopold Joseph Maria zu Salm-Salm
*18.7. 1838 – 16.2. 1908
6. Fürst zu Salm-Salm 1886 – 1908
er blieb kinderlos, also ging der Fürstentitel an den Bruder

Alfred Ferdinand Stephan Maria zu Salm-Salm
* 13.3. 1846 – Ϯ 20.4. 1923
7. Fürst zu Salm-Salm 1908 – 1923

Erbprinz Emanuel Alfred Leopold Franz zu Salm-Salm
*30.11. 1871 – Ϯ 19.8. 1916
fiel in Russland, also ging der Fürstentitel an den jüngeren Bruder

Nikolaus Leopold Heinrich Alfred Emanuel Friedrich Antonius zu Salm-Salm
* 14.2. 1906 – Ϯ 15.1. 1988
8. Fürst zu Salm-Salm 1923 – 1988

Erbprinz Franz Emanuel Christopherus Bruno Melchior zu Salm-Salm
* 6.10. 1930 – Ϯ 21.3. 1945
kam in der Anholter Burggräfte bei einem Fliegerangriff ums Leben,
also ging der Fürstentitel an den jüngeren Bruder

Carl Philipp Joseph Petrus Coelestinus Balthasar zu Salm-Salm
* 19.5. 1933
9. Fürst zu Salm-Salm seit 1988

Erbprinz Emanuel Nikolaus Johann Felix zu Salm-Salm
* 6.12. 1961
er wird – wenn er seinen Vater überlebt – 10. Fürst zu Salm-Salm

Bergregal oder auch Regalrecht – Begriffe, die das Privileg beschreiben, über die wirtschaftliche Nutzung der Bodenschätze in einer bestimmten Region  bestimmen zu dürfen, an ihr finanziell beteiligt zu sein; bei der Kohle mit dem so genannten „Bergzehnten“, also einem Zehntel vom Erlös aus dem Kohleverkauf.

Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. hatte dieses Bergregal u.a. für die Herrlichkeit 1806 dem Fürstenhaus Salm-Salm verliehen. Einerseits als Ersatz für die linksrheinischen Gebiete, die das Fürstenhaus 1803 an Frankreich verloren hatte, andererseits aber auch nicht zuletzt aus außenpolitischen Gründen. Das Fürstentum von Konstantin Alexander Joseph Johann Nepomuk zu Salm-Salm lag – seine Lage und Größe entsprachen etwa dem heutigen Landkreis Borken – wie ein neutraler Puffer zwischen Preußen und Napoleons Frankreich. Dem Preußenkönig bedeutete diese Neutralität sehr viel, zumal er sich selbst seit der Niederlage in der Schlacht bei Jena und Auerstedt (1806) in einer Zwangsallianz mit Napoleon befand, die im für Preußen schmachvollen „Frieden von Tilsit“ (1807) gipfelte.

Friedrich Wilhelm III. durfte 1809 von Napoleons Gnaden nach Berlin zurückkehren, kämpfte erst erfolgreich an der Seite von Napoleon gegen die Truppen des russischen Zaren, um dann schließlich doch (1813) nach langem Zögern die Seiten zu wechseln. Im Bündnis mit Zar Alexander I. (Russland) und Kaiser Franz I. (Österreich) zog Friedrich Wilhelm III. in die „Völkerschlacht bei Leipzig“ (16.-19. Oktober 1813). König, Zar und Kaiser beobachteten vom 158 Meter hohen „Monarchenhügel“ bei Meusdorf aus die für Napoleon vernichtende Schlacht und sahen im Heer von Napoleon auch die Truppen des Fürsten zu Salm-Salm. Der hatte seine Souveränität und ohnehin nur bedingte Neutralität – als Mitglied im Rheinbund unterstand das Fürstentum dem Protektorat Napoleons – 1810 verloren, als Napoleon das Fürstentum kurzerhand annektierte.

Napoleons Niederlage folgte der Wiener Kongress mit dem Versuch, eine europäische Friedensordnung zu schaffen. Dieser Kongress war die letzte Chance für das Fürstentum, die Restauration in seine Unabhängigkeit zu erreichen. Alle Bemühungen waren indes vergeblich. Das Fürstentum wurde mit Beschluss vom Juni 1815 nach Preußen eingemeindet, das Fürstenhaus mit einer jährlichen Rente von 13.390 Talern abgefunden. Das Bergregal indes blieb beim Fürstenhaus.

So kam mit dem Fürstentitel das Regalrecht über Wilhelm Florentin und Alfred Konstantin zu Nikolaus Leopold Joseph Maria zu Salm-Salm, 6. Fürst zu Salm-Salm. Ein Mann des Bergbaus? Ganz sicher nicht. Dass er zum Namensgeber der Zeche wurde, ein historischer Zufall. Nikolaus Leopold zu Salm-Salm – Rufname Leopold – war Naturwissenschaftler, anerkannter Ornithologe mit großem Interesse für Pferdezucht und Pferdesport. 1893 heiratete der Fürst die 17 Jahre jüngere Prinzessin Eleonore Leopoldine Aloysia von Croÿ, Tochter des Prinzen Alexis Wilhelm Zephyrinus Victor von Croÿ und der Prinzessin Franziska Maria Johanna Carolina Aloysia, geborene Prinzessin zu Salm-Salm.

Die Hochzeitsreise führte das Paar in die Schweiz auch an den Vierwaldstätter See. Ob nun aus Liebe zu seiner Frau oder weil er persönlich so begeistert war, schon in der Schweiz hatte der Fürst die Idee, den erst im Vorjahr von ihm angelegten und eröffneten „Leopoldspark“ am Anholter Schloß zu erweitern. Ein künstlicher Fluss wurde angelegt, ein See, Nachbildungen berühmter Schweizer Berge mit Felsen aus dem Sauerland geformt – nichts war zu teuer, um einen riesigen Park zu bauen, der bis heute als „Anholter Schweiz“ eine wirklich sehenswerte Attraktion ist.

 

Schloss Anholt

Anholter Schweiz

Den Bau der Zeche und ihren Start in den wirtschaftlichen Betrieb hat der 1908 gestorbene Fürst Leopold nicht mehr erlebt und weil seine Ehe kinderlos geblieben war, wurde nach der seit dem späten Mittelalter im Haus Salm-Salm geregelten Erbfolge sein jüngerer Bruder Alfred Ferdinand 7. Fürst zu Salm-Salm. Erbprinz Emanuel Alfred Leopold Franz fiel im Ersten Weltkrieg 1916 in Russland, der Fürstentitel ging an den jüngeren Bruder Nikolaus Leopold Heinrich Alfred Emanuel Friedrich Antonius zu Salm-Salm, 8. Fürst und mit 65 Amtsjahren (1923-1988) quasi der „Rekordfürst“ der Familie. 

  1. Fürst wäre nach der Erbfolge Franz Emanuel Christopherus Bruno Melchior zu Salm-Salm geworden, aber er wurde wenige Monate vor Ende des Zweiten Weltkriegs im März 1945 in einem Boot auf der Anholter Burggräfte sitzend Opfer eines Fliegerangriffs, der einer nahe zum Schloß gelegenen V2-Stellung gegolten hatte. So wurde – und er ist es bis heute – Carl Philipp Joseph Petrus Colestinus Balthasar zu Salm-Salm (* 1933) 9. Fürst und ihm wird, so er den Vater überlebt, der 1961 geborene Erbprinz Emanuel Nikolaus Johann Felix zu Salm-Salm als 10. Fürst folgen.

Das Regalrecht in der Herrlichkeit war für das Haus zu Salm-Salm so etwas wie eine Lizenz zum Gelddrucken – nein, sogar noch viel wertvoller, denn die Fürsten mussten nicht einmal drucken, das Geld wurde frei Haus geliefert. Welche Summe insgesamt für die Zeche „Fürst Leopold“ gezahlt wurde und welcher Betrag für die Zeche „Baldur“ – auch sie lag ja nördlich der Lippe – ist nicht überliefert, aber es gibt einzelne Zahlen. 1917 zahlte die Berggesellschaft Trier für „Baldur“ 3.815 Mark, 1919 waren 2.400 Mark fällig. Und als 1919 die Stände und damit auch die preußischen Fürstenprivilegien abgeschafft wurden, teilten sich ab 1. Januar 1920 Fürst und Staat den Bergzehnten. Fünf Jahre zu gleichen Teilen, dann schrumpfte der Anteil des Fürsten für weitere fünf Jahre auf 25 v.H. und ab 1930 sollte nur noch der Staat kassieren. Bedeutete für die Zeche: Gezahlt wird der „Bergzehnt“ ungekürzt weiter, es ändert sich nur der Empfänger. Für „Baldur“ kassierten Fürst und Staat 1920 jeweils rd. 15.000 Mark.

Im durchaus sehenswerten Museum des Fürstenhauses Salm-Salm auf Schloß Anholt spielt der Bergbau jedenfalls für den normalen Besucher keine Rolle, auf die Hervester Zeche „Fürst Leopold“ gibt es keinen ausgestellten Hinweis. So weit bekannt, ist ein Fürst zu Salm-Salm auch nie zum offiziellen Besuch in Hervest oder Dorsten gewesen. Nicht zur Inbetriebnahme der Zeche 1913, nicht zur Einstellung der Förderung 2001 und natürlich auch nicht zur endgültigen Schießung 2008. Die Erklärung ist simpel: Das Interesse des Fürstenhauses war immer auf die sprichwörtliche Kohle konzentriert.