Aak und Dorstener Flieger: Die Schifffahrt auf der Lippe

Nur einige Schritte entfernt von der Lippe Lese Lounge, vor dem Eingang des Freizeitbades Atlantis, findet sich ein Original-Nachbau der Dorstener Aak. Das 1:1 Modell des ehemals in Dorsten gebauten Handelsschiffes kann besichtigt und betreten werden und beinhaltet eine große Ausstellung zur Geschichte der Lippe und der Schifffahrt auf ihr.

 

Verein für Orts- und Heimatkunde und Lippeverband

Die Lippe und die Schifffahrt

Die Lippe: Ein Fluss verändert seinen Lauf

Vor etwa 120.000 Jahren zog sich der riesige skandinavische Gletscher zum Ende der Saale-Eiszeit von der Ruhr aus nach Norden zurück. An seinem Südrand sammelte sich das Schmelzwasser in großen Rinnen und suchte dann den Weg zum Meer. Dieser Schmelzwasserablauf vereinigte sich nach der letzten Eiszeit mit der Karstquelle bei Lippstadt zur Lippe. Die damalige Lippe floss ursprünglich nach Nordwesten zur Ems. Erst nach einem Durchbruch zwischen den Borkenbergen und der Haard änderte sie ihre Fließrichtung nach Südwesten und erreichte entlang einer alten Schmelzwasserrinne den Rhein. Als längster Fluss Nordrhein-Westfalens entwässert sie heute eine Fläche von fast 4.900 Quadratkilometer über den Rhein zur Nordsee. Das Gefälle des Flusses ändert sich auf seinem Weg zur Mündung bei Wesel ständig und beträgt im Unterlauf ab Dorsten nur noch 8 Meter auf 18 Kilometer. Das führt zur Bildung eines Flachlandflusses mit einem breiten und flachen Flussbett. Sandbänke und eine verminderte Fließgeschwindigkeit begünstigen eine verstärkte Mäanderbildung in der Flussaue, die in den frühen Jahren von mehreren Armen der Lippe durchzogen wurde. Nachdem die Lippe im Laufe der Zeit viele Veränderungen durch den Menschen (Schifffahrtsweg, Energielieferant für Mühlen, Aufstauungen, Begradigungen, Vertiefungen, Eindeichung usw.) hinnehmen musste, versucht man heute, ihr teilweise wieder einen naturnahen Raum zurückzugeben.

Im Raum Dorsten bildete die in der Flussaue träge daher fließende Lippe verschieden große Mäander aus. Bei Hochwasser, wie nach der Schneeschmelze 1890, wurde sie zu einem wilden Fluss und erreichte eine Breite von circa 550 Metern, bei Holsterhausen sogar 1500 Metern. Durch solche Ereignisse verlegt sich das Flussbett der Lippe häufig. So floss die Lippe während der Römerzeit nördlich der heutigen Altstadt von Dorsten, südlich des Stadtteils Hervest und am Römerlager in Holsterhausen vorbei in Richtung Haus Hagenbeck. Dieser alte Verlauf beginnt östlich von Haus Ostendorf und nimmt in der Wenge den südlich fließenden Wien- und Hammbach auf. Beide verlaufen von dort aus westlich im alten Lippe-Flussbett, dessen Rinne noch an den alten Uferböschungen zu erkennen ist. Mitte des 1. Jahrhunderts verlegte die Lippe dann ihren Lauf in das Gebiet südlich des Segelfluggeländes, der heutigen Altstadt und der Hardt. Dieser Lauf hat etwa bis 500 n. Chr. existiert. Die beginnende Rodungsperiode zwischen dem 4. Und 6. Jahrhundert, die größere Wasserabflüsse mit sich brachte, verursachte eine neue Verlagerung. Ein weiterer neuer Arm entstand um 600 bis 650, mitten im Bereich der heutigen Altstadt. Um 750 änderte die Lippe dann schließlich ihren Lauf in den Bereich zwischen Maria Lindenhof, Im Werth und Hohenkamp, ungefähr in das Gebiet, auf dem später der Wesel-Datteln-Kanal gebaut wurde. In diesem Zuge verlegte man die Lippe erneut. Aufgrund von bergbaubedingten Absenkungen ist die Lippe eingedeicht, um die Bevölkerung vor Hochwasser zu schützen.

Die Schifffahrt auf der Lippe

Heute weiß man, dass bereits die Römer ihre Truppen an der Lippe über Transportschiffe versorgten. Sie beschränkten sich allerdings auf den Mittel- und Unterlauf – von Wesel bis Paderborn. Der Bau von Wassermühlen machte die Lippe-Schifffahrt schwieriger. Aufstauung von Wasser und neue Städte am Fluss führten ab Ende des 12. Jahrhunderts zu einer deutlichen Behinderung des Verkehrs. Da die Handelsgüter wie Holz, Salz oder Getreide begehrt waren, versuchte man die Lippe durchgängig schiffbar zu machen, scheiterte aber immer an territorialen Streitigkeiten. Erst ab 1815, als Preußen allein für die Lippe zuständig war, ging man an eine Ausbauplanung heran. 1826 war dank elf Schleusen eine durchgängige Treidelschifffahrt von Wesel nach Lippstadt möglich. Pferde und Menschen zogen die Lastkähne überwiegend vomTyp der „Dorstener Aak“ und des kleineren „Dorstener Fliegers“ flussaufwärts – acht Tage dauerte eine Tour. Zurück konnten sich die Schiffe treiben lassen und in fünf Tagen die Lippemündung erreichen. Die Eisenbahn und der Bau des Wesel-Datteln-Kanals 1931 besiegelten das Ende der Lippe-Schifffahrt.

 Die Schiffbauer an der Lippe

 Dorsten entwickelte sich im 15. Jahrhundert zu einem Zentrum für den Bau von Lippe-Schiffen. Die Schiffswerften („Stellungen“) legten die Schiffsbauer am linken Lippe-Ufer nordöstlich des Lippe-Tores an. Für die Nutzung des städtischen Geländes zahlten sie eine jährliche Gemeinschaftsabgabe an die Stadt. Die einzelnen Werften verfügten in der Regel über einen eingezäunten Uferstreifen mit einem Arbeits- und Materialschuppen und den zum Ufer hin leicht abfallenden Schiffsbauplatz („Helling“). Von hier ließ man die fertigen Kähne problemlos zu Wasser. Das Schiffsbauer-Gewerbe erlebte im ausgehenden 18. Jahrhundert einen massiven Einbruch. Als 1815 das gesamte Lippe-Gebiet an Preußen fiel, und Pläne zur Kanalisierung des Flusses diskutiert wurden, schöpften die Dorstener Schiffsbauer neuen Mut. In holländischen Betrieben erwarben sie neue Kenntnisse und Fertigkeiten. 1831 waren hundert Personen im Schiffsbau beschäftigt; 1870 sogar 140. 1888 ging die Zahl der Meister jedoch auf neun zurück, die mit ihren insgesamt 20 Beschäftigten nur noch kleine Schiffe bauten. Die zunehmende Versandung der Lippe führte 1876 zur völligen Einstellung der Frachtschifffahrt. Die im 20. Jahrhundert verbliebene kleine Zahl der Schiffsbauer bot bis in die 1960er-Jahre den Schiffstyp „Dorstener Flieger“ zum Kauf an. Der letzte Schiffsbauer-Betrieb im Lippe-Tal schloss 2003 seine Pforten.

Die Dorstener Aak

Ein Bildungs- und Integrationsprojekt und Dorstens kleinstes Museum