Pumpwerk & Düker
Celina Winter I eglv Lippeverband
Wie der Schölzbach den Lippe-Deich überwindet
Unübersehbar ragen zwei Metallrohre aus der Deichkrone in Dorsten, schmiegen sich an den Deichrücken an und finden den Weg abwärts in die Lippe. Stachen die Rohre in der Vergangenheit durch wilde Schmierereien ins Auge, sind sie seit August 2020 ein echter Blickfang für Radfahrende und Spazierende. Als Teil der Maßnahmen zur Aufwertung des Innenstadtbereichs wurden die Rohre von der Dorstener Künstlerin Brigitte Stüwe umgestaltet und greifen das Element Wasser nun künstlerisch auf. Doch was steckt eigentlich hinter bzw. in diesen Rohren? Die Funktionsrohre, sogenannte Druckrohrleitungen, transportieren mithilfe des Pumpwerks Dorsten-Schölzbach das gleichnamige Gewässer in die Lippe – gemeinsam ergeben die beiden Anlagen einen „Gewässerfahrstuhl“, der 365 Tage im Jahr bereit ist, um aktiv zu werden.
Der Lippe-Deich – ein unüberwindbares Hindernis?
Aber das war nicht immer so, denn bis Mitte der 1960er-Jahre konnte der Schözbach noch ohne Hindernisse in die Lippe fließen. Bergsenkungen, verursacht durch den Bergbau, machten eine Vielzahl von Hochwasserschutzmaßnahmen erforderlich, ohne die große Teile Dorstens unter Wasser ständen. Der Lippeverband deichte den längsten Fluss Nordrhein-Westfalens, die Lippe, in Dorsten auf rund sieben Kilometern ein. Schützt der 12 Meter hohe Deich die Dorstener Bürgerschaft im Hochwasserfall bis heute vor einer Überflutung, stellte er für den Schölzbach ein unüberwindbares Hindernis dar – der Weg zur Lippe war versperrt. Die Lösung: das Pumpwerk.
Pumpen laufen rund um die Uhr
1969 nahm der Lippeverband das Pumpwerk, welches sich direkt neben dem Deich befindet, nach drei Jahren Bauzeit in Betrieb. Und obwohl die Anlage schon seit einem halben Jahrhundert Tag und Nacht ihren Dienst verrichtet, wissen Passantinnen und Passanten in vielen Fällen nicht, welch wichtige Funktion sie erfüllt: Insgesamt sorgen fünf Pumpen dafür, dass der Schölzbach durch zwei Druckrohrleitungen den Deich überwinden kann. Dabei sind die Pumpen so ausgelegt, dass sie im Hochwasserfall bis zu 6.500 Liter Wasser pro Sekunde – das sind rund 32 gefüllte Badewannen – befördern können.
Die beiden Druckrohrleitungen, die an den Pumpen angeschlossen sind, verlaufen unterirdisch in Richtung des Lippe-Deichs, steigen an, treten auf der Deichkrone in 12 Metern Höhe auf der Landseite der Deichkrone aus dem Erdreich heraus und verlaufen senkrecht zum Deich wieder abwärts in Richtung Lippe. Dass die Druckrohrleitungen nicht in Ihrer gesamten Länge unterirdisch verlegt wurden, hat einen bedeutenden Grund: Den Schutz des Deiches. So werden das Aushöhlen, Auswaschen oder eine Beschädigung des Deichkörpers verhindert. Dort, wo die Druckrohrleitungen sichtbar sind, fällt auf, dass sie unterschiedlich Durchmesser besitzen. Das kleinere, 700 mm breite Rohr kommt bei Trockenwetter zum Einsatz und das größere, 1500 mm breite Rohr im Hochwasserfall.
Die Lippe erkunden
Nach insgesamt 9.266 Metern – von der Quelle bis zur Mündung – erreicht der Schölzbach die Lippe und speist das Gewässer mit Reinwasser. Und damit ist der Schölzbach mitten in einem Landschaftsschutzgebiet angekommen, das von der einen bis zur anderen Deichkrone reicht. Vom Deich aus kann man das Gebiet wunderbar betrachten. Hier hat der Lippeverband nämlich einen Rad- und Fußweg angelegt, der zu einer Fahrradtour oder einem gemütlichen Spaziergang entlang der Lippe einlädt. Direkt neben den Funktionsrohren wurde im August 2020 die Lippe-Lese-Lounge eröffnet. Zusammen mit der künstlerischen Gestaltung der Funktionsrohre und des Pumpwerks ist die Lippe-Lese-Lounge ein Gemeinschaftswerk der Dorstener Künstlerin Brigitte Stüwe, der Stadt Dorsten und des Lippeverbandes. Die Freiluft-Bibliothek enthält mittlerweile über 120 Texte rund um die Lippe und das Leben am Fluss. Viel Spaß beim Erkunden und Erlesen der Lippe.